Es ist Sonntag Abend. Man könnte sagen, dass es ein Fehler war gestern Gin-Tonic mit Wodka-Mate zu mixen. Aber das ist ein anderes Thema. In diesem Beitrag soll es um eine etwas andere Art von Fehlern gehen. Inspiriert dazu hat mich diesmal der Tweet von Christiane Brandes-Viesbeck:

In ihrem sehr lesenswerten Artikel hat Christiane (ich bleib jetzt hier einfach beim Du, wir sind ja unter uns) beschrieben, warum es aus ihrer Sicht so wichtig ist, mit Fehlern positiv umzugehen. Insbesondere im Zusammenhang mit Innovation. Und während ich einer der Grundaussagen – Fehler können passieren, man muss halt draus lernen – voll zustimme, gibt es einen anderen Punkt, den ich in der ganzen Diskussion um das „Scheitern“ und die „positive Fehlerkultur“ kritisch sehe.

Ein Fehler ist laut Wikipedia die Abweichung von der definierten Norm. Das heißt, wenn ich mit dem Auto von der Straße abweiche und in einen Laternenpfahl reinbretter, dann war das ein Unfall der aus einem Fehler resultierte.

In der heutigen Arbeitswelt geht es auch häufig darum, dass wir von der Norm abweichen wollen oder müssen, um uns weiterzuentwickeln. Streng genommen handelt es sich dabei aber nicht um Fehler. Denn diese Abweichungen sind ja gewünscht. Es handelt sich also eigentlich um Experimente. Wenn ich also mit dem Auto absichtlich eine andere Abzweigung nehme, um herauszufinden, ob es vielleicht einen schnelleren Weg gibt, als den, welchen ich bisher immer genommen habe, dann ist das ebenfalls eine Abweichung von der Norm. Aber es ist kein Fehler.

Und wenn ich dann merke, dass dieser neue Weg leider dreimal solange dauert, wie geplant, weil mein Orientierungssinn doch nicht besser ist als Google Maps, dann ist das im Ergebnis vielleicht unerwünscht, aber es ist kein Fehler. Und ich würde es auch nicht als Scheitern bezeichnen.

Das Ziel meines Umwegs war nämlich zu testen, ob es eine besser Lösung für mein Problem gibt (schnell nach Hause zu kommen). Die Variante, die ich ausprobiert habe, hat nicht funktioniert. Aber ich bin nicht gegen einen Laternenpfahl gefahren und insofern kann ich am nächsten Tag einen neuen Versuch starten.

Ich habe also ein Experiment durchgeführt und ich habe konkrete Ergebnisse erhalten, aus denen ich weitere Handlungsoptionen ableiten kann. Oder um es anders zu formulieren: mein Ziel war es nicht, so oft wie möglich und so schnell wie möglich gegen Laternenpfähle zu knallen („Fail Fast, Fail Often“). Mein Ziel war es, ein Experiment durchzuführen, durch das ich mit möglichst geringem Aufwand herausfinden kann, ob eine gewisse Idee oder Strategie funktioniert („Reduce the Cost of Failure“ – ich habe das hier ein bisschen ausführlicher beschrieben). Idealerweise in einer Form, so dass ich mit den Erkenntnissen dann weitere Experimente durchführen kann (also möglichst ohne mein Auto zu schrotten).

Und das ist für mich die Essenz für das Testen von innovativen und kreativen Ideen und Konzepte. Es geht nicht primär darum, positiv mit „Scheitern“ und „Fehlern“ umzugehen. Stattdessen geht es darum, diese Art von Experimenten gar nicht erst als Fehler zu begreifen. Sondern als eine gewünschte Abweichung von der Norm, mit dem Ziel neue Erkenntnisse zu erzielen. Dann braucht sich nämlich niemand mehr für die Ergebnisse rechtfertigen. Egal ob die dem Experiment zugrunde liegende Annahme verifiziert oder falsifiziert wurde. In beiden Fällen wurden wertvolle Erkenntnisse erzielt.

Die „positive Fehlerkultur“ brauchen wir dann zwar trotzdem. Aber lediglich für die unerwünschten Abweichungen von der Norm. Experimente und Exploration werden dann nämlich als erwünschte Abweichungen von der Norm wahrgenommen. Kein Rechtfertigungsdruck mehr. Keine unnötige Angst vorm Scheitern Dadurch ließe sich dann vielleicht auch endlich das scheinbar unlösbare Dilemma zwischen Fehlerkultur und Perfektionismus auflösen. Denn auch Experimente wollen sauber durchgeführt werden.

Dieser Beitrag ist im Rahmen der #ImproBlog Challenge entstanden. Jeden Tag nehme ich mir einen Tweet vor und kommentiere diesen innerhalb von 10-15 Minuten (ja liebe #10minBlog Mitstreiter, ich brauche doch immer einen Moment länger habe ich gemerkt, aber im Herzen bin ich bei euch.) Wenn euch, liebe Leser, das Format gefällt: eine Liste mit allen anderen #10minBlog Twitteraccounts findet ihr hier.

#ImproBlog – Bitte sprecht nicht von Fehlerkultur
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One thought on “#ImproBlog – Bitte sprecht nicht von Fehlerkultur

  • 18. September 2018 at 14:49
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    Danke, Gregor.

    Du schreibst mir aus der Seele.
    Wenn jemand von ‚Fehler‘ spricht, hake ich ein.

    Ich definiere ‚Fehler‘ als ‚Abweichung von einer Spezifikation‘.
    Das ist etwas präziser als Norm, weil gerade „soziale Normen“ oftmals nicht spezifiziert sind.
    Viele ‚Normen‘ sind nur gelebte, stillschweigende und damit vermeintlich implizierte Übereinkünfte.
    Der Jurist in mir weiß: die meisten davon sind, was wir auch als ‚versteckten Dissens‘ kennen.

    ‚Dissens‘ ist aber kein ‚Fehler‘, sondern ein begrüßenswerter Anlass, etwas Positives festzustellen.
    „Jeder Konflikt ist ein weiterer Schritt zur Harmonie“ schrieb ich vor kurzem.
    https://twitter.com/cmdsdude/status/1041218513426366466

    Und so komme ich zu dem Schluss:
    „Any deviation is the beginning of something new or its death. Depends on its fitness …“

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